Rethymnon, Geheimtipps abseits der Pfade

by Meerlady

Im Mai bereist die Meerlady-Redaktion Kreta, die südlichste Region Griechenlands. Im geschichtsträchtigen Rethymnon spazieren wir mit Blick auf das noch schneebedeckte Ida-Gebirge am Mittelmeer. Wir nehmen uns Zeit für gute Gespräche, gutes Essen und guten Wein und erfreuen uns an der herzlichen Gastfreundschaft der Kreter. An diesen Orten genießen wir abseits touristischer Pfade das authentische mediterrane Lebensgefühl.

Ein Markt für alle Sinne

An einem Donnerstag laufen wir stadteinwärts die Kountouriotou Straße entlang bis zum Parkplatz am Stadtpark (Igoumennou Gavriil Straße). Uns kommen ältere Damen entgegen, in beiden Händen große Beutel mit knackigem Obst und Gemüse. Ein untrügliches Zeichen: Donnerstag ist Markttag in Rethymnon.

Der Markt-Besuch ist ein Fest für alle Sinne. Von 7 bis circa 15 Uhr verkaufen Bauern der Umgebung ihr feldfrisches, ausgereiftes und dadurch qualitativ hochwertiges Obst und Gemüse zum Erzeugerpreis. Am Stand eines älteren Ehepaares dürfen wir Kostproben verschiedener getrockneter Kräuter wie Oregano, Thymian und Lavendel mit den Fingerspitzen verreiben und daran riechen.

Die verschiedenen lokalen Käsespezialitäten, allen voran der Schafskäse, sind eine Versuchung wert. Auch die grünen und schwarzen frischen und getrockneten Oliven und das kalt gepresste Olivenöl lassen unsere Herzen höherschlagen. Dass das Olivenöl in Plastikflaschen angeboten wird, stört hier niemanden.

In einem zweiten, angrenzenden Bereich des Marktes findet sich Ober- und Unterbekleidung zu kleinen Preisen, und mitunter ebensolchen Qualitäten. An einem Stand fallen uns selbst genähte Taschen aus alten Jeans auf. Eine kreative Idee zum Thema Textil-Recycling.

Rethymnon Markt
Feldfrisches Obst und Gemüse: Donnerstags findet auf dem Parkplatz am Stadtpark in Rethymnon ein Markt statt. Foto: AnTi

Cafés in der Old Town von Rethymnon

Griechischer Kaffeegenuss unter Einheimischen

Am nächsten Tag kommen wir morgens auf dem Weg in die Altstadt an einem authentischen Kafenio, einem traditionellen griechischen Kaffeehaus, vorbei. Ein älterer Herr sitzt zigarettenrauchend an einem einfachen dunkelbraunen Holztisch. Vor ihm steht eine Tasse Kaffee und ein Glas Raki – das alte, klassische griechische erste Frühstück. Unser Blick schweift durch den sauberen Innenraum des Cafés, wo zwei Herren ebenfalls ein einfaches Frühstück einnehmen.

Als Touristen fallen wir in diesem fast ausschließlich von Einheimischen besuchten Kaffeehaus sofort auf. Die freundliche Bedienung bittet uns, Platz zu nehmen. Wir bestellen zwei griechische Kaffees, die für uns frisch gebrüht werden, und genießen die Unterhaltung mit den Einheimischen sowie die noch ruhige Atmosphäre der Stadt. Diese ändert sich mit Eintreffen der zahllosen Tagestouristen am späten Vormittag.

Ruheoase im schattigen Garten

„Kaffee, kühle Drinks, handgemachtes Eis aus Schafsmilch“ steht auf einem handgeschriebenen Schild, an dem wir fast vorbeigelaufen wären. Wir stehen vor dem Eingang des Sohora Home Hotel Rethymnon in der Platia Iroon Polutexniou 11, einem liebevoll restaurierten, ehemaligen Wohnhaus mit Holzerker.

Auf die Frage nach einem Wasser bittet uns Manolis, der junge Besitzer, herein, und führt uns in den kleinen schattigen Garten seines Hotels. Wir lassen die lärmende, touristengeschwängerte Altstadt hinter uns, ruhen in dieser grünen Oase aus und schlürfen zwei eisgekühlte, alkoholfreie Drinks. Als sehr angenehm empfinden wir neben dem freundlichen Service auch die kleinen Preise.

Erfrischender Aperitif auf der Dachterrasse

Nur zufällig entdecken wir den ultimativen Geheimtipp Rethymnons: Die Dachterrasse in der Neofitou Patelarou Straße, einer schmalen, hübschen Gasse abseits touristischer Pfade. Im Haus Nummer 4, einem restaurierten venezianischen Palazzo aus dem 16. Jahrhundert, betreibt ein junges Paar das Hotel Archontiko Suites mit kleinem Café. Als Gäste des Cafés dürfen wir die schmalen, gewundenen Treppen hinauf bis zur Dachterrasse steigen, wo wir einen 360 Grad Blick über die Old Town genießen. Ob Espresso oder Aperitif: der Besuch ist immer ein Erlebnis für uns.

Unser Tipp: In der Vor- und Nachsaison sind die Temperaturen auf der Terrasse noch angenehm.

Dachterrasse Rethymnon
Doppelter Genuss: Aperitif auf der Dachterrasse mit 360 Grad Blick über die Old Town. Foto: AnTi

Beeindruckendes Museum hält kretische Traditionen wach

Auf der Suche nach dem authentischen Kreta führt uns der Weg in das Historische und Volkskundemuseum von Rethymnon. Das 1973 von einer privaten Initiative gegründete Museum befindet sich in einem denkmalgeschützten venezianischen Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert in der Vernadou Straße 28.

Schon das zweistöckige, liebevoll sanierte Gebäude beeindruckt. Noch mehr faszinieren uns die zahlreichen historische Stücke und Fotos, die mühsam aus Schenkungen und Ankäufen zusammengetragen wurden. Diese zeigen das bäuerliche Leben sowie traditionelle Hausarbeiten und Gewerke wie Barbier, Schmied und Sattelmacher.

Im zweiten Stock lernen wir einiges über die anspruchsvolle und meist körperlich schwere Arbeit der kretischen Bäcker, Töpfer und Korbflechter. Ein Paar seidene Kniestrümpfe für eine Braut dokumentieren beispielsweise die hohe Kunst der Seidenverarbeitung. Die Seidenraupenzucht war wie die Durchbruchstickerei meist den Frauen vorbehalten. Ein nachgebautes Wohnzimmer mit kretischen Webarbeiten zeigt eindrucksvoll die hohe Könnerschaft der Weberinnen und Weber.

Im Erdgeschoß wird zudem der kretische Freiheitskampf dokumentiert. Hier treffen wir auf den von uns geschätzten englischen Reiseschriftsteller Patrick Leigh Fermour, der im II. Weltkrieg an der Seite kretischer Partisanen gegen die Deutschen gekämpft hat.

Rethymnon – Backkunst seit fast 65 Jahren

Wir treten aus dem Volkskundemuseum heraus und gehen links die Emmanouil Vernadou Straße entlang. Gleich neben dem Museum fällt uns das prachtvolle Tor des venezianischen Herrenhauses Nr. 30 auf, das als eines der schönsten in Rethymnon gilt. Es ziert die lateinische Inschrift „Durch die Tugend wird das Haus aufgehellt“ mit der Jahreszahl 1607 und einem Familienwappen.

Die Haustür ist angelehnt, Stimmengewirr dringt nach draußen. Wir bleiben stehen und nehmen einen verführerisch-süßen Duft wahr. Vorsichtig treten wir ein und stehen in einer Bäckerei, vielmehr in einem lebendigen Museum. Denn hier fertigen Giorgos Hadjiparaschos seit 1958 die hauchdünnen Teigfäden für das kretische Gebäck Kantaifi. Inzwischen unterstützt ihn dabei sein Enkel.

Anschließend verkauft der Meister die nach Walnüssen, Mandeln, Zucker, Zimt und Nelken duftenden, liebevoll verpackten Teilchen eigenhändig an die staunenden Besucher. Auch wir können der Versuchung nicht widerstehen.

Giorgos Hadjiparaschos in der Backstube
Backkunst in Rethymnon: Giorgos Hadjiparaschos fertigt seit 1958 die hauchdünnen Teigfäden für das kretische Gebäck Kantaifi.
Foto: AnTi

Romantische Taverne zwischen den Dünen

Die Sonne brennt an diesem Vormittag schon unerbittlich vom wolkenlosen Himmel. Nach dem Frühstück laufen wir zum Sandstrand, wo sich die ersten Gäste ihre Liegen samt Sonnenschirm für den Badetag reservieren.

Wir spazieren stattdessen barfüßig stadtauswärts den Stand entlang und genießen die frische Meeresbrise. Nach einem einstündigen Spaziergang weist ein im Sand steckendes, einsames Schild auf eine Taverne, die versteckt zwischen den Dünen liegt.

Wir befinden uns auf der Höhe des Campingplatzes in Missiria, einem Vorort von Rethymnon. Inzwischen ist es Mittag und wir kehren in der Taverne Elizabeth ein. Hier sitzen wir an hübsch gedeckten, blauen Tischen und haben die Qual der Wahl zwischen Huhn mit Okraschoten, Moussakas und gegrillte Kalamari. Wir entscheiden und für Letzeres. Dazu gibt es griechischen Salat und aromatisches Pitabrot mit Knoblauch. Der Hauswein wird traditionell in kleinen Gläsern serviert. Das hervorragende Preis-Leistungsverhältnis macht uns schnell zu Stammgästen.

In der Vorsaison ist der Campingplatz kaum besucht und es finden sich Mittags nur wenige Gäste ein. Wir genießen die ruhige Atmosphäre und den Blick über den Sandstrand auf das türkisfarben, glitzernde Mittelmeer.

Griechischer Bauernsalat
Romantische Taverne am Strand: Gegrillte Kalamari mit griechischem Bauernsalat und Pitabrot.
Wein genuss in der Taverne
Der kühle Weißwein mundet auch aus kleinen Gläsern.
Fotos: AnTi

Einsamer Spaziergang entlang der Steilküste zum Kap

Heute wollen wir noch weiter aus Rethymnon hinaus und die Umgebung erkunden. Dazu fahren wir mit dem sehr zuverlässig verkehrenden Stadtbus bis zur Endstation nach Panormo.

Das Dorf war einst der Handelshafen der etwa 17 Kilometer entfernen Stadt Eleftherna. Heute (ent-) stehen auch hier Hotelanlagen für Pauschal- und All-inclusive-Touristen. Dennoch ist dieser Ort nicht überlaufen und hat sich seinen ursprünglichen Charme bewahrt.

Wir bummeln durch den Dorfkern mit den alten, meist hübsch sanierten Bruchsteinhäusern. Hier steht auch die sehenswerte, größte frühbyzantinische Basilika Kretas, die der heiligen Sophia geweiht ist. Vom Kirchenvorplatz schweift unser Blick über den zentral gelegenen Hafen und den kleinen Sandstrand.

Einen aromatischen, starken, griechischen Kaffee nehmen wir in der Ortsmitte auf der baumbeschatteten Terrasse einer Taverne. Danach folgen wir dem Tipp eines Einheimischen, der uns einen Spaziergang entlang der Steilküste zum Leuchtturm am Kap empfohlen hat.

Wir schlagen den Weg Richtung Osten zum Friedhof ein. Unterhalb des Friedhofes versperrt ein Gatter den breiten Schotterweg. Hier heißt es: beherzt öffnen, und wieder schließen, sonst büchsen die weiter oben grasenden Ziegen aus. Mit jedem Schritt auf dem leicht ansteigenden Weg weitet sich der Blick auf das traumhafte Panorama. Die leichte Brise duftet nach Thymianblüten und anderen kretischen Bergkräutern. Nach etwa einer halben Stunde stehen wir allein auf dem Kap, das Meer zu Füßen. Wir können uns nicht sattsehen.

Strand Panormo
Blick von der Steilküste: So leer ist der kleine Strand von Panormo nur in der Nebensaison.
Fischerdorf Panormo auf Kreta
Nicht von Touristen überlaufen: Panormo hat sich seinen ursprünglichen Charme bewahrt.. Fotos: AnTi
Fischerdorf Panormo bei Rethymnonn
Fischerdorf Panormo: Auf dem Weg Richtung Kap genießt der Spaziergänger einen fantastischem Blick auf das Meer. Foto: AnTi

Rethymnon – Auf der Suche nach der authentischen kretischen Küche

Die einfache kretische Küche kommt mit wenigen unverfälschten Zutaten aus, zu denen unter anderem aromatische Bergkräuter, Käse, Schafs- und Ziegenfleisch sowie Oliven und Olivenöl gehören. Sie sind der beste Beweis dafür, dass Geschmack nicht vom Preis abhängt.

Während unseres Aufenthalts in Rethymnon sind wir stets auf der Suche nach ebendiesem unverfälschten Geschmack. Kein leichtes Unterfangen angesichts der zahlreichen Touristenmenüs, die in der Old Town und entlang der Touristenmeile angeboten werden. Wer den authentischen Geschmack Kretas entdecken möchte, braucht Geduld. Wir kommen meist abseits der Pfade und oft zufällig in diesen Genuss, zum Beispiel in der romantischen Taverne zwischen den Dünen (siehe oben).

Selbst in der durch touristische Strukturen geprägten Neustadt werden wir fündig. Hier steht in der zweiten Reihe das 5-Stene-Hotel Minos Ambassador und hier kocht Nikitas auf. Nikitas Nikitaras ist nicht nur einfach Chefkoch, er ist ein Meister seines Fachs. Hervorragend ausgebildet und kulinarisch weltweit versiert, gilt eine seiner Vorlieben natürlich auch der kretischen Küche.

Es gibt nicht nur die traditionelle Variante, die er brillant beherrscht, sondern auch eine moderne kretische Küche. Diese basiert auf den Zutaten und Zubereitungsmethoden der traditionellen Spielart zeichnet sich jedoch durch neue fantasievolle Rezepte aus die dieses kulinarische, mediterrane Kleinod nochmals aufwerten.

Die Weiterentwicklung der modernen kretischen Küche ist für Nikitas ein Herzensanliegen, das er mit großem Können und und großer Kreativität betreibt. Nicht nur hier zeigt sich sein Können und seine enorme Kreativität. Jedes Gericht ist ein Highlight, das Tradition und Moderne der kretischen Küche harmonisch und mit höchster Eleganz verbindet. Die Gäste sind stets voll des Lobes über seine Kreationen.

rethymnon mediterrane küche
Chefkoch Nikitas (rechts) und Hobbykoch und Herausgeber Sabato fachsimpeln am Antipasti-Buffet und tauschen ihre Erfahrungen aus. Foto: AnTi

Aromatische Weine mit langer Tradition

Kreta gilt als ältestes Weinanbaugebiet Europas. Auf der Insel reifen noch heute traditionelle Traubensorten, aus denen die Winzer rote und weiße qualitativ hochwertige Weine keltern. Leider sind diese Weine unterbewertet. Auch schaffen es die Weinflaschen meist nicht in die gutsortierten Regale deutscher Einzelhändler.

So bleibt auch uns nur der Weingenuss vor Ort. In der Taverne bestellen wir „Wein vom Fass“, der traditionell in kleinen Gläsern serviert wird – und uns hervorragend mundet. Im Restaurant des Minos Ambassador gibt es hingegen eine große Auswahl an Flaschenweinen. Über diese wacht Yiannis.

Yiannis Papadomanolakis ist ein Grandseigneur und hochqualifizierter Sommelier mit langjähriger Erfahrung. Er verfügt über eine umfassende, globale Weinexpertise, die weit über den griechischen bzw. mediterranen Horizont hinausgeht. Mit großer Sachkunde und viel Charme berät er die Gäste bei der Wahl des passenden Weins zum jeweiligen Gericht. Das geht stets mit einer informativen und kurzweiligen Vorstellung der vorgeschlagenen Weine vonstatten. Immer sind die Gäste begeistert und spenden ihm wohlverdientes Lob.

Yiannis ist als Sommelier eine Ausnahmeerscheinung. Jede Degustation mit ihm gerät unweigerlich zu einem unvergesslichen Erlebnis. Er ist stolz auf seinen Weinkeller der geradezu ein Weinparadies ist. Dort reiht sich eine Weinspezialität an die andere. In Gesprächen mit unserem Herausgeber schildert er voller Begeisterung und mediterraner Leidenschaft seine ambitionierten Pläne für den geplanten Ausbau seines ohnehin sehr großen Weinsortiments. Die Begeisterung reißt unseren Herausgeber mit und so werden aus diesen Konversationen quasi spontane Wein-Workshops über alle Facetten des Weinbaus und der Weine.

Griechischer Wein
Die griechischen Weine faszinieren sowohl Sommelier Yiannis (rechts) als auch unseren Herausgeber Sabato. Es ist zuweilen schwierig, die beiden wieder aus dem Weinkeller herauszubekommen. Foto: AnTi

Reiseführer: Rethymnon – Die Seele Kretas

Ausgesprochen hilfreich für uns war die Lektüre des reichbebilderten Reiseführers „Rethymnon – Die Seele Kretas“, den der Verlag Mediterraneo Editions in Rethymnon auch in deutscher Sprache herausgibt. Auf 140 Seiten stellt die Archäologin Stella Kalgogeraki die Renaissance-Stadt Rethymnon samt Umland vor.

Das kompakte Buch gibt einen Überblick über Flora und Fauna sowie Höhlen, Schluchten und Strände. Es geht zudem auf die Mythologie und Geschichte ein und stellt alle archäologischen Stätten, Kirchen, Klöster, venezianischen Monumente und Museen vor. Ein eigenes Kapitel ist den Festen und Traditionen von Kreta gewidmet.

Detaillierte Stadtrundgänge in Rethymnon, Routen für Auto und Rad-Ausflüge in der Präfektur und der Wanderweg E4 runden den Reiseführer ab. Übersichtskarten und eine Stadtkarte der Old Town Rethymnon helfen bei der Orientierung.

Insgesamt bietet uns das Buch wesentlich mehr Informationen als das städtische Touristenbüro, das sich auf der Rückseite eines Hafengebäudes in Rethymnon versteckt.

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Diese Reise wurde vollständig von der Redaktion bezahlt.

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