Neben Corona kann man auch eine „normale“ Erkältung beispielsweise mit Halsschmerzen bekommen. Dann setzen viele auf ätherische Öle, um schnell wieder fit zu werden. Doch über deren Anwendung, Nutzen und Wirkungsweisen halten sich hartnäckig verschiedene Falschinformationen. Experten klären die wichtigsten auf und erläutern die Hintergründe.
„Die Tatsache, dass gerade im Netz immer wieder verwirrende oder sogar falsche Informationen im Umlauf sind, zeigt, wie wichtig Aufklärung und wissenschaftliche basierte Informationen sind“, sagt Anusati Thumm, Aromatherapie-Expertin und Seminarleiterin bei Primavera.
Sie stellt die aus ihrer Sicht häufigsten Irrtümer vor und was davon zu halten ist:
Irrtum 1: Ätherische Öle können „heilen“
„Ätherische Öle sind als komplexe Gemische unglaublich vielfältig, auch ihre Wirkungsweisen sind es“, sagt Thumm.
So können Baumöle beispielsweise die Atmung vertiefen und für einen ruhigeren und erholsameren Schlaf sorgen. Lavendelöl hilft bei Stress oder Einschlafproblemen, Orangenöl kann Ängste und Anspannung lindern und die Konzentrationsfähigkeit verbessern.
Andere Öle haben sich als sehr wirksam erwiesen, wenn es darum geht, die Anzahl der Keime in der Raumluft zu reduzieren, ausgleichend zu wirken oder das Wohlbefinden zu stärken, denn ätherische Öle wirken stets auf der körperlichen und seelischen Ebene.
In Verbindung mit wertvollen Pflanzenölen lassen sich außerdem duftende und intensiv pflegende Körperpflegemischungen herstellen. Bei Erkältung, Muskel- und Gelenkproblemen sowie Bauchbeschwerden können Wickel, Kompressen oder Auflagen Erleichterung verschaffen.
„Ätherische Öle können also wirklich viel. Wer aber den Eindruck erweckt, eine medizinisch behandlungsbedürftige Erkrankung könne mit ihrer Hilfe geheilt werden, handelt unseriös und abseits wissenschaftlich basierter Erkenntnisse“, so Thumm.
Irrtum 2: Ätherische Öle sind „gesund“ – egal, wie man sie anwendet
Auch diese Aussage ist so nicht richtig. Ätherische Öle sind hochkonzentrierte Pflanzenwirkstoffe und sparsam zu dosieren. Viele von ihnen sind haut- und schleimhautreizend. Sie dürfen daher mit wenigen Ausnahmen nicht pur angewendet werden und nicht mit den Augen oder Schleimhäuten in Berührung kommen.
Deswegen haben sie laut Thumm beispielsweise auch auf offenen Wunden nichts verloren – außer, eine aromatherapeutisch versierte Ärztin oder ein Arzt verordnen dies genauso. Für die Hautpflege mischt man ätherische Öle mit einem Bio-Pflegeöl.
Auch von einer innerlichen Einnahme rät Thumm abzuraten. Eine Ausnahme bilden ätherische Öle, die als Lebensmittel deklariert und damit zur Aromatisierung von Lebensmitteln geeignet sind. Die EU-Deklarationspflicht schreibt vor, dass sich Hersteller für eine bestimmte Anwendungsform entscheiden und dies entsprechend in der Kennzeichnung deutlich machen müssen.
Meistens sind ätherische Öle als kosmetisches Mittel zur Hautanwendung oder als Bedarfsgegenstand zur Raumbeduftung deklariert. In beiden Fällen ist keine orale Einnahme vorgesehen. Bei seriösen Anbietern geht die Deklaration eindeutig aus den Informationen auf der Banderole hervor.
Schon wenige Tropfen sind für Kinder gefährlich
Für kleine Kinder können schon wenige Tropfen ätherischer Öle lebensgefährlich sein, warnt das Infocenter der R+V Versicherung. Eltern von Babys und Säuglingen sollten daher mit Eukalyptusöl, Mentholöl, Pfefferminzöl und Kampferöl sehr vorsichtig sein.
„Am besten verzichten sie ganz darauf, die Kleinen damit einzureiben. Auch inhalieren sollten Kinder diese Stoffe nicht“, rät Friederike Kaiser, Beratungsärztin bei der R+V Krankenversicherung. Denn schon wenige Tropfen können zu gereizten Schleimhäuten, Erbrechen und Bewegungsstörungen führen, wenn sie in Mund oder Nase gelangen, so die Ärztin.
„Im schlimmsten Fall verschließt sich die Luftröhre durch einen krampfartigen Reflex. Dieser kann bereits durch das Einatmen der entsprechenden Substanzen ausgelöst werden. Dann sind Atemstörungen die Folge – oder sogar ein Atemstillstand“, warnt Kaiser.
Für Kinder gibt es laut Kaiser spezielle Erkältungsmittel, die keine für sie gefährlichen Stoffe enthalten. Diese sind immer nach den Vorgaben der Packungsbeilage anzuwenden.

Experten warnen: Schon wenige Tropfen ätherischer Öle können für kleine Kinder lebensgefährlich sein. Foto: Pixabay / silviarita
Irrtum 3: Ätherische Öle sind immer unverfälschte Naturprodukte
Auch das ist leider nicht der Fall. Hochwertige, naturreine Öle werden ausschließlich direkt aus den Blättern, Blüten, Samen, Früchten, Zweigen und Wurzeln der Ursprungspflanze gewonnen und nicht „gestreckt“.
Schwankungen der Inhaltsstoffe, die von der Bodenbeschaffenheit, dem Klima und den Witterungsverhältnissen während des Wachstums und der Erntezeit sowie der Pflanzengattung abhängig sind, werden bei dieser höchsten Qualitätsstufe nicht „nachgebessert“. 100 Prozent naturreine ätherische Öle enthalten daher auch keine biotechnologisch hergestellten Duftstoffe, die laut Gesetz als „natürlich“ bezeichnet werden dürfen.
Deswegen beim Kauf darauf achteen, dass das ätherische Öl keine synthetischen oder „naturidentischen“ Zusatzstoffe enthält, sondern vollkommen naturbelassen ist, möglichst aus zertifiziertem Bio-Anbau.
Der Grund: Synthetische, also künstlich produzierte Duftstoffe, enthalten keine pflanzliche Information. So ist es bis heute nicht möglich, naturreine ätherische Öle im Labor „nachzubauen“. Denn diese enthalten teilweise mehrere hundert Substanzen und werden daher auch als Vielstoffgemische bezeichnet.
Neben naturreinen ätherischen Ölen gibt es auch sogenannte standardisierte ätherische Öle. Das sind nach Arzneibuch (DAB, ÖAB) standardisierte Öle, die bezüglich ihrer Inhaltsstoffe, der Inhaltsstoff-Mengen und der Dichte dem Standard der landesspezifischen Arzneibücher entsprechen müssen.
Diese Vorgaben garantieren ein ätherisches Öl mit stets gleichbleibenden Inhaltsstoffen und physikalischen Eigenschaften. Entspricht ein natürliches ätherisches Öl nicht diesem Standard, setzt man naturidentische oder isolierte Inhaltsstoffe wie Geraniol oder Menthol zu. Damit ist es aber auch kein naturreines Produkt mehr.
Quellen: Primavera Life GmbH, R+V Infocenter
Das könnte Sie auch interessieren
Putzmittel selber machen mit ätherischen Ölen
Ätherische Öle sind durch ihre fettlösenden und keimreduzierenden Eigenschaften und ihren frischen Duft bestens für den Hausputz geeignet. Wie Sie im Handumdrehen wirksame Putzmittel selber machen.